Man kann mit einem Foto, beispielsweise dem von einer schönen Blüte, ganz sachlich versuchen deren Aussehen zu vermitteln oder sich bemühen, damit auch Assoziationen zu wecken und dann reden wir über …
… Bilder fast wie gemalt – Stephan Gohmann
Heutzutage, wo manch einer schnell mal das Handy zückt, um so den Bekanntenkreis an seiner Begeisterung über eine soeben erblühte Gartenpflanze teilhaben zu lassen, da mag der Wunsch, ein Bild möge doch etwas mehr als nur einen Sachzustand darstellen, etwas übertrieben klingen. Nun sind die Möglichkeiten des Fotografierenden bei Mobiltelefonen und Kompaktkameras gestalterisch einzugreifen ohnehin eher klein und die Ergebnisse dementsprechend nüchtern.
Foto einer Kamelienblüte. Informativ aber nicht wirklich begeisternd.
Dass dies mit der geringen Größe der Sensoren zusammenhängt, dürfte vielen ebenso wenig bekannt sein wie der Begriff „Bokeh“, der die sogenannte „feine Hintergrundunschärfe“ beschreibt, die uns in die Lage versetzt, aus einer Abbildung ein Bild zu machen.
Goldrute, man kann Ihr Aussehen nur erahnen, da bleibt Raum für Fantasie.
Für diese Art der Fotografie brauchen wir eine Kamera mit Wechseloptik und einem nicht zu kleinen Sensor. APS-C Format, möglicherweise auch noch das etwas kleinere Mikro Four Thirds, damit habe ich allerdings keine Erfahrungen, sollte es meines Erachtens schon sein. Vollformat ist nicht zwingend erforderlich, erweitert aber die Möglichkeiten.
Um den Begriff Bokeh zu erklären, werden gerne Unschärfekreise heran gezogen,
Die weichen, runden Kreise im Hintergrund zeigen, dass das hier verwendete Objektiv ein tolles Bokeh liefert.
die man zum Beispiel erhält, indem man mit weit geöffneter Blende in die Krone von Bäumen hinein fotografiert und dabei deren Laubdach ziemlich unscharf ablichtet. Die hellen Partien treten dann im Bild vorzugsweise kreisförmig und an den Rändern leicht verschwimmend, im ungünstigsten Fall mehreckig und hart abgegrenzt auf. Je nachdem, ob das verwendete Objektiv wenige oder eher viele, vielleicht sogar leicht gebogene Blendenlamellen enthält, ob es auf extreme Schärfe bis in die Ecken und hohen Kontrast abgestimmt ist, bekommt man beim Spiel mit der Unschärfe unterschiedliche Resultate, wobei das keineswegs nur auf Blendenflecken beschränkt ist. Viele gebogene Lamellen führen zu einer kreisrunden Blendenöffnung und sind häufig eher kennzeichnend für ein schönes, weiches Bokeh, extrem gute Schärfeleistungen könnten hingegen abträglich sein. Letztlich muss man das probieren oder auf die Erfahrungen anderer Fotografen zurückgreifen. Testen, also exakt messen, lässt sich das schwerlich, ist Schönheit doch ein eher subjektiver Begriff.
Meine Objektive aus „analoger Urzeit“ sind auch heute noch allesamt vorhanden, was ich fast schon als glückliche Fügung bezeichnen möchte, ist es mir doch dieser Tage möglich, all die alten Schätze und Schätzchen mit Hilfe entsprechender Adapter an meinen modernen Digitalkameras zu verwenden. Klar, man verliert dabei sämtliche Automatikfunktionen, da ich jedoch ohnehin gerne darauf verzichte und jegliche Einstellungen manuell vornehme, vom Weißabgleich einmal abgesehen, hält sich der Verlust in erträglichen Grenzen oder ist besser gesagt gegenüber dem Gewinn völlig vernachlässigbar. Adapter gibt es in ausgezeichneter Qualität, aber auch in eher einfacher Ausführung. Letztere bergen schon mal das Risiko in sich, dass Objektiv und Adapter eine innige, kaum zu trennende Einheit bilden, mir persönlich ist derartiges allerdings noch nicht widerfahren. Etwas Vorsicht kann jedoch nicht schaden. Nicht jedes Objektiv lässt sich mittels Adapter an jede Kamera montieren und wenn es denn einen Adapter gibt, geht bisweilen die Möglichkeit auf unendlich zu fokussieren verloren. Letzteres kann man im Nahbereich allerdings gut verschmerzen. Auf Adapter mit eingebauter Linse würde ich übrigens verzichten, die Gefahr, dass dabei die Abbildungsqualität des Objektivs negativ beeinflusst wird, erscheint mir recht hoch. Selbstverständlich verwende ich auch neue Objektive, aber manche älteren haben einfach das gewisse Etwas. Der Begriff „Flair vergangener Tage“ mag überstrapaziert sein, hier trifft er zu.
Hie und da brauchen wir noch ein Stativ, möglichst eines, das die Beine flach ausbreiten kann um dann auch in Bodennähe einsetzbar zu sein, sowie Zwischenringe, Balgengerät, Retroadapter, Nahlinsen, Makroobjektiv, also nicht alles aber halt Equipment, das erforderlich ist um Makrofotografie zu betreiben. Das soll jedoch nicht Thema dieses Artikels sein, dazu gibt es hinreichend Literatur oder die Informationsmöglichkeiten des Internets. Gleiches gilt für diverse fotografische Grundlagen, ohne die man verständlicherweise nicht auskommt, schon gar nicht, wenn es darum geht, auf Automatikfunktionen zu verzichten.
Den Fotovorgang selbst zu beschreiben, nimmt wenig Zeit in Anspruch. Man montiert den vorhandenen Objektivbestand, eventuell mittels Adaptern an die Kamera, öffnet die Blende so weit wie möglich und fotografiert bei ISO 200 bis 400, mehr ist selten erforderlich, am Stativ oder von Hand in allen nur denkbaren Positionen
Was hier zu sehen ist, spielt eigentlich keine Rolle, so stelle ich mir den Herbst vor.
Blüten, Gräser und Laub des heimischen Gartens. Wem das nicht ausreicht, erweitert sein Betätigungsfeld um Zoos, Parks, öffentliche Grünflächen, Friedhöfe oder Baumschulen, sofern das dort erlaubt ist. Manche Kameras können durch entsprechende Adapter mit fast allen Objektiven sämtlicher Hersteller kombiniert werden, in anderen Fällen passen da nur bestimmte an das vorhandene Bajonett, zumindest dann, wenn man auch auf unendlich scharf stellen möchte. Schön ist ein drehbares Display, anstelle eines fest stehenden oder klappbaren, da letztere bei bestimmten, bodennahen Positionen den Einsatz eines Winkelsuchers erforderlich machen. Knallt die Sonne vom Himmel und direkt aufs Kameradisplay, muss ebenfalls der Sucher ran, man sieht sonst häufig nichts mehr. Das manuelle Scharfstellen gelingt vergleichsweise gut dank der Peakingfunktion meiner Kameramodelle, bei der scharfe Bereiche im Sucher weiß, gelb oder rot umrandet dargestellt werden. Trotzdem schaue ich mir jedes Bild anschließend nochmal stark vergrößert im Display an, um festzustellen, welche Zonen scharf und ob es denn auch die richtigen sind. Die nachträgliche Bildbearbeitung geschieht überwiegend mit einem RAW Converter, das geht auch mit einem kostenlosen wie LightZone, und es bedarf dazu nicht einmal einer Kamera, die Dateien im RAW Format liefern kann, normale JPEGs tun es auch.
Vielfach halte ich es so, dass ich gewisse Partien des Bildes scharf abbilde,
Häufig reicht es auf, sich in Sachen Schärfe auf ganz, ganz wenig zu beschränken.
wobei ich zwischenzeitlich jegliche Hemmungen verliere und dann völlig unscharfe Bilder kreiere. Man muss einfach mal am Einstellring für die Schärfe drehen oder den Abstand zum Motiv ändern, per Autofokus geht das ohnehin nicht, und schauen, was mit dem jeweiligen Objektiv herauskommt. So verschiebt sich dann vom Bildeindruck her die Fotografie Richtung Malerei.
Oder man lässt die Schärfe einfach mal ganz außen vor. Machen Maler ja auch.
Da es nicht darum geht, eine vorgefundene Situation möglichst unverfälscht widerzugeben, kann man sich ähnlich einem Maler bei der Nachbearbeitung jeden gewünschten Spielraum gönnen. Wem also die Gabe den Pinsel stilvoll zu schwingen fehlt, der hilft sich halt so. Dass Schärfe nicht das entscheidende Kriterium für die Qualität eines Bildes sein muss, haben uns, um bei der Malerei zu bleiben, die Impressionisten vorgemacht. Nun will ich keineswegs so vermessen sein und diese Form der Fotografie mit solcher Art Kunstwerken auf eine Stufe zu stellen, aber was einem Maler recht ist, darf einem Hobbygärtner erstens billig sein und zweitens Freude bereiten und nur darauf kommt es an.
Das Frühjahr hält viele schöne Motive bereit.
Weitere Bilder findet Ihr auf meiner Website http://www.stephan-gohmann.de .